Einblicke einer Assistentin
Assistentin bei der Selbsthilfe Körperbehinderter Göttingen e.V.
Wenn ich Anderen von meiner Arbeit als Rund-um-die-Uhr-Assistentin erzähle, kommt neben dem „Ich glaube, das könnte ich nicht“ meist auch noch ein „Ah ja, und dann betreust Du den die ganze Zeit?“. Ich antworte darauf immer mit „Nein, ich assistiere ihm die ganze Zeit“ und erkläre den Unterschied zwischen Betreuung und Assistenz.
Nach dem – gefühlt – tausendsten Gespräch dieser Art wird einem klar, dass die meisten Mitmenschen nicht wissen, dass es so etwas wie die 24-Stunden-Assistenz überhaupt gibt; aber alle finden es „gut, dass es sowas gibt“.
Was aber genau ist der feine Unterschied? Bevor ich bei der Selbsthilfe als Assistentin anfing, habe ich in der Kranken- und Altenpflege gearbeitet und der wichtigste Unterschied zwischen Pflege/Betreuung und der Assistenz ist für mich die Selbstbestimmung. Es geht eben nicht nur um Effizienz, Optimierung von Arbeitsabläufen, Zeiteinheiten und Pflegepläne – es geht um den Menschen und seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse.
Haben Sie sich schon mal vorgestellt, wie es ist, wenn einem der Kopf juckt und man sich nicht selbst kratzen kann? Oder wenn man sich nachts im Bett drehen will oder ein Fuß aus der Decke gucken soll, weil einem sonst zu warm ist, man das aber einfach nicht kann? Als Assistentin ermögliche ich meinem Assistenznehmer, alles zu tun was er will, wann er will und vor allem auch wie er es will und – rund um die Uhr.
Das bedeutet, dass nicht nur die anfallenden Tätigkeiten z.B. im Haushalt und in der Körperpflege erledigt werden. Darüber hinaus versucht die Assistentin, sich komplett auf den Lebensrhythmus des Assistenznehmers mit all den damit verbundenen persönlichen Eigenarten, den Vorlieben und Abneigungen, den kleinen Entscheidungen und auch Widrigkeiten einzustellen. Ziel ist es, ihm so das alltägliche Leben, das Menschen ohne Behinderung als selbstverständlich erscheint, tagtäglich zu ermöglichen.
Gerade dies ist oftmals eine Herausforderung und erfordert viel Toleranz und Geduld, zeigt einem aber auch, wie unersetzlich und wichtig diese Arbeit ist, damit auch schwerstbehinderte Menschen ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen können – so wie jeder andere Mensch auch. Das ist auch der Grund, warum mir die Arbeit so viel Spaß macht: ich tue für mein Geld etwas Sinnvolles und Menschliches.